Bild: Die Geschwister Müller; Liese, Georg und Alfred. Nachlass Alfred Müller.
Nachstehend die persönliche Biographie von Alfred MÜLLER, Leutnant bis Rittmeister, 2. Eskadron, von ihm selbst niedergeschrieben am 22. August 1966, originalgetreue Abschrift, Quelle: Sohn Marino:
1) Abstammung: Deutschböhmen (später Sudetenland genannt). Urgrossvater: Schlaggenwald, Grossvater und Vater: Neudeck, damals politischer Bezirk Graslitz. Später wurde Neudeck selbst Bezirkshauptmannschaft. Grossvater war Direktor der Neugedeiner Woll- und Kammgarnspinnerei in Neugedein bei Taus in Böhmen, Vater Lebensmittelgrosshändler, Kaiserlicher Rat, Kammerrat im der Reichenberger Handels- und Gewerbekammer und Stadtverordneter in Reichenberg. Mütterlicherseits alle aus Reichenberg.
2) Geburtsdaten und Ort: Geboren am 20. Juni 1890 in Reichenberg.
3) Schulen: 5 Klassen Volksschule in Reichenberg, 3 Klassen Unterrealschule in Reichenberg, 4. Klasse Militär-Unterrealschule in Eisenstadt (Kismarton). 3 Klassen Militär-Oberrealschule in Mährisch-Weisskirchen, Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt: 1908-1911, Brigade-Offiziers-Schule in Agram 1.10.12 — 15.11.12; Diese Schule wurde wegen Mobilisierung des 13. Korps aufgelöst. Brigade-Offiziers-Schule in Szombathely : 1.10.13-30.4.14, Kiegsschulaspirantenkurs in Laibach 1917, Kommandant FMLt [Feldmarschallleutnant] BÖLTZ; Kurs für Truppenführung Pessariano Sommer 1918; Abiturientenkurs der Handelsakademie 1918/1919.
4) Tätigkeit als Offizier:
a) im Frieden: Nach der Ausmusterung [aus der Militärakademie] am 18.8.1911 rückte ich als Leutnant zum k.u.k. Dragonerregiment No. 5 nach Görz ein. Teils machte ich Schwadronsdienst und wurde dann Lehrer an der Unteroffiziersschule über den Winter 1911/1912. Brigadeoffziersschulen wie oben. Ab 1.5.1914 kam ich zur detachierten Eskadron nach Laibach und hatte dort auch die Reitübungen der Militär-Seelsorger und Militärärzte zu leiten.
b) im Krieg: Bei der zuerst angeordneter teilweisen Mobilisierung wurde auch das 3. Korps auf Kriegsfuss gesetzt, kam aber nicht mehr an die SW Front [d.h. gegen Serbien]. Meine Schwadron und die 4. Schwadron bildeten die „Kombinierte Division“ und waren als Divisions-Kavallerie bei der 22. LITD [Landwehr-Infanterie-Truppendivision] Graz eingeteilt. Die Schwadron wurde am 13.8.1914 in Laibach/Ljubljana verladen und waggonierte am Morgen des 16. in Stryj aus. Ich wurde mit meinem Zug am 18.8. zum Aufstellen der Aufmarschsicherung für das 3.Korps an die Swica im Abschnitt Tiapcze - Zurawno befohlen.
21.-25.8.14 Vormarsch von Stryj über Przemyslani an die Zlota Lipa
26.-27.8.14 Schlacht bei Przemslani
31.8.-4.9.14 Rückzug hinter die Wereszyca, 1.9. Nachhutgefecht bei Pustomyty
8.-10.9.14 Schlacht bei Grodek
11.-27.9.14 Rückmarsch hinter die Wisloka 11.9. N. P. Nacht-Patrouille?) Iskan-Berma-Rybotycze
27.9.14 Wisloka, Sicherung bei Katy
4.-10.10.14 Vormarsch und Entsatz von Przemysl
10-12.10 1914 Gefechte bei Walawa, Sosnicy und Radymno
15.10.-4.11.1914 Schlacht bei Nove Miasto
5.11.-10.11.1914 Rückzug in die Karpathen bei Jasliska, 9.11. N.P. Brzuszow-Sanok, 10.11.14 Nachhutgefecht bei Rymanow
11.-17.11.14 Stellungskämpfe bei Jasliska (LIR 3, Tokarnka)
27.-30.11.14 Vormarsch mit 5. HKD von Sztropko gegen lzbugyaradvany
10.–20.1214 Vormarsch ans dem Raum Giralt -Jaslo-Kolaczyce, 10.12.14 Gefecht bei Ladomärvagasa, 15.12.14 Patrouillenkämpfe bei Zboro, 16.12.14 Nacht-Patrouille (NP) gegen Frysztak.
20.- 31.12.14 Rückzug in die Karpathen bei Zboro, 24.12.14 Russ. ÜberfaIl auf Zboro
1915
1.1.-4.1.1915 Nachrichten-Det. über Lug-Malastow , 4.1.15 N.P. Wirchne, Banica
1.5.-4.5.15 Verschiebung der 22. LITD in den Raum Uscie Ruskie
4.5.-15.5.15 Verschiebung des 3.Korps in den Raum Kolomea
16.5.-7.6.15, 8.6.-11.6.15 in Stellung am Brückenkopf Kolomea
8.6.-11.6.15 Vormarsch vorn Pruth zum Dnjester, 8.6.15 N.P. Flehberg-Kamionka vrh, 9.6.15 N.P. Jakubowka-Obertyn
15.6.-9.8.15 Dnjester-Sicherung im Abschnitt Korniow-Rakowiec
9.8.-11.8.15 Einnahme des Brückenkopfes von Czernelica
14.8.15: Die 2. Schwadron marschiert von Potocziska nach Gluszkow südlich Horodenkov, wo sich das ganze Regiment mit Ausnahme der Rerserve-Eskadron versammelt, um mit dem 3.Korps an die italienische Front befördert zu werden.
19.8.15 Das Regiment masrchiert nach Sniatyn, wohin Oblt. Müller als Quartierregulierender vorausgeschickt wurde, zur Einwaggonierung.
20.-21. und 23.8 Sniatyn
24.-27.8.15 Bahntransport Kolomea-Körösmezö-Budapest-Pragerhof-Laibach, 27.8.15 Auswaggonierung in Reifenberg. Anfang September wurde das Regiment wegen des am Plateau von Comen herrschenden Wassermangels in den Raum nördl. Triest verlegt; die 2. Schwadron kam nach Grpoda.
25.9.15 Die dienstfreien Offiziere und Mannschaftsabordnungen wurden zum Obelisken von Opcina bestellt. Hier begrüsste der Erzherzog-Thronfolger die Ausgerückten: „Was, ein aktives Regiment in einer solchen Verwendung!“ Wir befestigten nämlich Triest. Eine andere Verwendung für die Reiterei gab es hier nicht.
30.9. und 1.10.15 Einwaggonierung und zurück nach Galizien. Am 4.10.15 wurden wir in Potutory ausgeladen. Wir wurden dem Korps Peter HOFMANN unterstellt. Am 11.10.wurden wir zur Brigade BOLZANO beordert und lösten dort ein deutsches Infanterie-Bataillon in der Stellung an der Stripa ab.
1916
6.1.1916 vom Korpskommando zum Kommandanten einer zusammengewürfelten Ulanenschwadron ernannt und der Kombinierten Division angeschlossen.
9.3.1916 Kommandierung zum Generalstab lt. AOK Res. Gstb 4692, und hatte zum Kommando der 7. KTD abzugehen. Diese befand sich im Stellungskampf an der Ikwa, und war durch das Ldst.IR [Landsturm-lnfanterie—Regiment] No. 1, das LIR 16 und ein Bataillon des IR 42 verstärkt.
9.3.-3.6.1916 Die KD liegt im Abschnitt Werba-Sapanow-Chotowka im Stellungskrieg.
4.6.-7.6.1916 Durchbruchsschlacht bei Sapanow, die für uns unglücklich verlief.
10.6.-13.6.1916 Verschiebung der 7. KTD von der Ikwa in den Raum Gorochow. Aufklärungsscharmützel.
17.6-18.6.1916 Angriffsgefechte bei Jeziercy-Kolyptow-Korytnica
19.6.16 Verschiebung in den Raum Cegow-Dolgoje-Boroczice, Lipa-Sicherung
23.-25.6.16 Offensive in die Linie Holatyn-Kol.OIgin-KoI.Kowban. 23. Zwiniscze, 24. Mysliny-Novosielki, stare-Kol.Kowban
26.-28.6.16 Stellungskampf in der Linie Holatyn-KoI.OIgin-Kol.Kowban
29.6.-15.7.16 Marsch an die Leniewka und Stellungskrieg im Abschnitt Pustomyty — Bludow.
16.7.16 Russischer Durchbruch bei Kl. Jadwinowka
19.7.-31.8.16 Stellungskämpfe östl. Korytnica.
31.8.16 Schlacht bei Korytnica — Swiniuchy
28.9.-21.10.16 Retablierung der 7. KTD im Raume zwischen der Eisenbahn SokaI-Wladimir Wolynsk und dem Bug.
20.-25.10.16 Verschiebung der 7. KTD in den Raum um Wyzwa nördl. Kowel
26.10.-10.11.16 Armee-Reserve
11.-25.11.16 Fussabteilungen der KD eingesetzt am Stochod südl. Stobychwa.
25.11.-4.12.16 Die Fussabteilungen werden abgelöst, die KD wird per Bahn nach Herkulesfürdö abtransportiert und gelangt von dort im Fussmarsch nach Orsova und Konkurrenz
4.-18.12.16 Abtransport der KD auf der Donau nach Giurgevo (Rumänien)
1917
1.2-18.3.17 Stellungskampf am Sereth und an der Putna im Abschnitt Vadul Rosca — Calieni — Lungociul.
1.3.17 Ich gehe in den 2. Turnus des Informationskurses für Kriegsschulaspiranten nach Laibach ab. Erlass Abt. 5 Nr. 2045 vorn 24.1.17 (Beiblatt 5/17).
Nach Beendigung des Kurses wurde ich dem Kdo der Wiener 3. KD zugeteilt. Für meine dortige Dienstleistung gingen meine Aufzeichnungen 1946 verloren und ich muss mich nur auf mein Gedächtnis verlassen. Die 3. KD [Kavallerie-Division] war in Stellung in den Nordsiebenbürgischen Karpathen. Das Kommando war in Gyergyo-Belbor. Die Stellung ging ungefähr von der Bukowinischen Grenze bis um Vrh Harlagi. Kommandant war FML [Feldmarschalleutnant] Johann KOPECEK, GStbchef [Generalstabschef] Hauptmann Wolf Rüdiger HENNIG, später Hptm Anton STEINHUBER. Ich löste Rtm [Rittmeister] Baron BIEGELEBEN von D 15 ab. — Die Stellung war verhältnismässig ruhig. Nur der Vrh-Larlagi war ein kritischer Punkt, da die beiden Schützengräben nur ca. 15 m voneinander entfernt waren. Die Gegend war kaum bewohnt und ressourcenlos.
Als letzten Ausläufer unserer Offensive in Ostgalizien räumten die Russen eines Nachts ihre Stellungen und zogen sich weiter zurück. Jetzt wurde die KD zum Tölgyerpass verschoben. Vor diesem Pass erhob sich ein Berg mit Dolomiten-Spitzen, der von den Russen besetzt war und unsere Nachschubstrasse weit hinein einsah. Der Nachschub war nur nachts möglich. Unser Kmdt [Kommandant] erwog den Angriff auf diesen Berg, den Pietra sesul de Ia Cormanic und befahl mir eine Rekognoszierung durchzuführen. Ich begab mich also auf den Cormanic. Die Russen hatten hinter den Felsen eine wunderbare Deckung, der man nur mit Steilfeuergeschützen beikommen konnte. Wir hatten aber nur unsere Reitende Artillerie, die damals noch nicht über Steilfeuergeschütze verfügte. Also wurde nichts aus dem Angriff. Nach einiger Zeit wurde die KD mit der Bahn bis Bereck abtransportiert und zum Oitozpass (Sosmezö) verschoben, Wir lösten eine deutsche ID [Infanterie—Division] ab, deren Kommndo sich in Baile slanic befand. Es war dies ein kleiner, hübscher Badeort. Kurz darauf bekamen wir den Befehl, auch noch die Stellung der linken Nachbardivision (Honved) [ungarische Truppe] zu übernehmen. Das bedingte eine Verlegung des Kommando-Standpunktes, weshalb dieser nach Repati Borviztelep kam. Dort war nur eine gefasste Mineralwasserquelle mit einer Abfüllstelle und ein Magazin für Flaschen. Angestellte waren keine dort. Wir hatten also den Vorzug, stets Mineralwasser zu trinken und uns damit zu waschen. Die Pferde waren von uns aus feindwärts in einer Sägemühle (Lobercz). Von hier aus wurde ich am 8.12.1917 als Parlamentär zum russischen 30. Korpskommando geschickt. Davon steht in der Regimentsgeschichte DR5 wie folgt:
„Rttm. Alfred Müller war 1917 in der Generalstabseinteilung der an der Siebenbürger Ostfront stehenden 3. KD eingeteilt. Dort wurde er am 8.12.1917 als Parlamentär zu dem gegenüberstehenden [russischen] 30. Korps entsendet, um während der zur Einleitung der WaffenstiIlstandsverhandlungen von Brest Litowsk abgeschlossenen Waffenruhe mit dem Gegner Vereinbarungen bezüglich Verkehrsstellen an der Front zu treffen. Müller durchquerte das ganze russische Stellungssystem und wurde überall höflich und ohne grosse Geheimnistuerei aufgenommen. Er erlangte solcherart einen tiefen Einblick in die damaligen Zustände im russischen Heere und konnte nach seiner Rückkehr viel Wertvolles berichten. Im Wesentlichen hatte er festgestellt: Allgemeine Kriegsmüdigkeit, stark gelockerte Disziplin, das Ansehen der Offiziere tief gesunken, Desorganisation auf allen Linien. Müller bezeichnete diese seine Entsendung als eines seiner interessantesten Kriegserlebnisse.“
1918
Im Frühjahr 1918 wurden wir abgelöst und kamen ins Uztal. Es war Waffenstillstand [nur mit Russland]. Im Frühjahr 1918 wurde ich als quartierregulierender GStbOffz [Generalstabsoffizier] mit einem Verpflegungsbeamten zum Heeresgruppen- Kommando nach Udine geschickt. Von dort schickte man mich zum 6. Armeekommando nach Vittorio Veneto. Dort teilte man mir mit, dass die Division in Pordenone und Fontanafredda auswaggoniert werde und im Raum Fontanafredda — Pordenone — Aviano untergebracht werde. Sie sollte zunächst für den Krieg an der italienischen Front umgeschult werden. Ich wurde dann in den Kurs für Truppenführung in Passariano kommandiert, den auch unser Kaiser Karl visitierte. Zur Umschulung kam es nicht mehr. Die Division marschierte stets nachts über Belluno — Feltre ins Suganatal und wurde zunächst im Raume Lamon untergebracht. Später kamen wir über Borgo in die Sieben Gemeinden. Eine deutsche Gegend, deren Deutsch aber fast unverständlich ist.
Eingesetzt wurden wir dann im Abschnitt Mori (Etschtal) bis zum Loppio-See. Wir lösten hier die Pilsener 17. ID ab. Die Artillerie blieb stehen, da sie die 17. ID wegen Pferdemangel nicht mitnehmen konnte. Am 30.8.1918 wurde ich in die Fliegeroffiziersschule nach Wiener Neustadt kommandiert, musste aber auf Befehl meines Divisionärs zuerst das Eintreffen meines Ersatzes abwarten und diesen dann 14 Tage in meinen Dienst einführen. Deshalb kam ich zu spät in den Kurs und wurde, nachdem ich einen Heimat-Urlaub infolge der Versorgungsmisere in Nordböhmen ausschlug, zur Fliegerersatzkompagnie in Szeged eingeteilt.
Am 5.9.18 wurden die, welche den Kriegsschul-Aspirantenkurs mit Erfolg absolviert hatten, auf Kriegsdauer dem Generalstab zugeteilt. Ich rückte in den nächsten Kurs der Fliegeroffiziersschule ein. Am 2.11.18 erlebte ich dort den Umsturz und fuhr am 3.11.18 nach Reichenberg. Dort wollte ich mich beim Stations-Kommando melden. Da auf der Tafel „k.u.k“ überklebt war, ging ich nach Hause, zog mir Zivil an und ging ins Rathaus um Lebensmittelkarten zu holen. Meine Laufbahn als Offizier war beendet.
ZIVIL
Zuerst besuchte ich den Abiturientenkurs der Reichenberger Handelsakademie, dann trat ich als HandIungsbevollmächtigter in die väterliche Firma ein, die jetzt, nach dem am 1.2.18 erfolgten Tod meines lieben Vaters mein Bruder [Georg] führte. Als entschieden war, dass Deutschböhmen nicht bei Österreich bleibt, bemühte ich mich um eine Bankbeamtenstelle in Österreich und war vorn 1.9.1920 Beamter der Österreichischen Kredit-Anstalt für Handel und Gewerbe in Innsbruck. Auf Bitte meines Bruders trat ich dann wieder in die Firma meines Bruders als Gesellschafter ein.
Am 12.9.1925 heiratete ich Adele PFENNINGER aus Grünwald (bei Gablonz an der.Neisse). Ich bekleidete in Reichenberg folgende Ehrenstellen: Vorstandsstellvertreter und Vorsteher des Handelsgremiums Reichenberg; Obmann des Überwachungsausschusses der Gremialkrankenkasse; Kaufmännischer Laienrichter beim Handelssenat des Kreisgerichtes Reichenberg [damit ist der Titel „Kommerzialrat“ verbunden]; Kammerrat der Kammer für Industrie, Handel und Gewerbe in Reichenberg; Konkurs- und Ausgleichsverwalter beim Kreisgericht Reichenberg. Ich blieb in der Firma [Müller und Nick] bis zu unserer Vertreibung [1946]. Für den Betrieb kam ein Narodni Spravce (Nationaler Verwalter), der mich als Arbeiter im Geschäft behielt. Zum Höchstlohn von Kcs 2'000.-.
Am 27.5.1946 kamen wir ins Lager AIt-Habendorf. Pfingstsonntag den 10.6. werden wir am Bahnhof AIt-Habendorf einwaggoniert und fahren über Reichenberg, Böhm.-Keipa, Komotau-Tirchnitz (Essensausgabe), Franzensbad — Radiumbad Brambach; Übergabe an die Deutsche Reichsbahn [die Eisenbahn der DDR hieß tatsächlich so!] Bad Elster — Plauen nach Gera — Jena — Weimar — Erfurt — Sonderhausen nach Nordhausen — Salza. Ankunft 13.6.46. 13.6.46— 5.7.46 Quarantänelager Salza. 25.7.46 Ansiedlung in Wolkramshausen, Rittergut Neuer Hof, Albert Koch. Hier verbleiben wir bis Gründonnerstag 1947. Dann über Erfurt-Gotha Eisenach — Bebra nach Nürnberg.
Ich habe von meinem damaligen Aufenthaltsort Marwitz bei Berlin zu Weihnachten 1946 und im Frühjahr 1947 Vater, Grossmutter Hermine und Tante Liese in Wolkramshausen besucht. — Grossmutter Hermine Müller fuhr nicht mit nach Westdeutschland. Sie fühlte sich mit 81 Jahren den Strapazen der Reise nicht gewachsen und wollte ihren Kindern auch nicht zur Last fallen. Nach einem kurzen Aufenthalt in einem Altersheim konnte Georg für sie eine Aufenthaltsbewilligung für Leipzig erwirken und sie lebte von da an bis zu ihrem Tod bei ihrem Sohn Georg und dessen Cousine und späterer Frau Gerty Rammstedt aus dem Hause Reclam. — Georg war zu Beginn des Krieges „u.k.“-gestellt worden, („unabkömmlich“), wurde aber später doch noch eingezogen mit seinem letzten Dienstgrad aus dem 1. Weltkrieg (Oberleutnant), an dem er als Reserveoffizier in der Maschinengewehr-Abteilung des k.u.k. 5. Dragonerregiments teilgenommen hatte. Georg war zu Ende des 2. Weltkrieges Dolmetscher-Offizier im Kriegsgefangenenlager für höhere alliierte Offiziere auf der Festung Königstein in Sachsen. Darunter waren 90 französische Generale. Er kam nach Kriegsende gar nicht nach Reichenberg zurück, sondern ging zu seiner Cousine nach Leipzig, wo er sich als Übersetzer durchschlug. Georg war ein Sprachtalent und sprach französisch, englisch und tschechisch und vielleicht noch andere k.u.k Sprachen. Mit seinen Tschechisch-Kenntnissen konnte er bald auch Russisch. Einem der französischen Offiziere, General GIRAUD, gelang am 17. April 1942 die Flucht aus Königstein. Er gelangte bis nach Nordafrika, wo er als französischer Chefkommandant an der Konferenz in Casablanca im Januar 1943 mit de Gaulle, Roosevelt und Churchill teilnahm. Über seine Flucht gibt es einen Bericht von Hans-Georg MERZ in den Archivnachrichten Nr. 30, Dez. 2005, Quellenmaterial für den Unterricht, Landesarchiv Baden-Württemberg. Ein anderer der französischen Offiziere aus Königstein wurde später Stadtkommandant (oder etwas ähnliches) für den französischen Sektor von Berlin. Als Georg und seine Cousine nach dem Tode von Hermine aus Leipzig (DDR) fortwollten, half er ihnen über Berlin in den Westen zu gelangen. Nach mancherlei Lagern und Aufenthalten in Bayern landeten wir in Rosenheim. Dort besorgte mir RÄDLHAMMER [ein Klassenkamerad aus der Militärakademie] eine Einreiseerlaubnis nach Österreich. Am 28.10.47 fahre ich von München weg und bin am 30.10.1947 in Wien. Seit dieser Zeit lebe ich hier. Im Jahre 1948 bekam ich die österreichische Staatsbürgerschaft. Ich führte hier die Geschäfte einer meinem Schwager gehörenden Firma [J. Pfenninger’s Söhne] und bin seit 1963 in Pension.
5) Familienverhältnisse
Ich bin verheiratet. Wir haben 2 Söhne, die beide in der Schweiz leben. Marino ist 1928 geboren und mit einer katholischen Nidwaldnerin aus Hergiswil verheiratet. Sie haben einen Sohn, Markus, und ein weiteres Enkelkind ist noch unterwegs. Es wird im September zur Welt kommen. Arno ist 1932 geboren, ist ebenfalls verheiratet mit einer reformierten Aargauerin und hat zwei Söhne, Berndt und Beat, 7 und 1 Jahr, sowie eine Tochter, 4 Jahre. [später an Nierenkrebs verstorben] Mit unseren Schwiegertöchtern sind wir sehr einverstanden.
6) Abgang zur grossen Armee: Fehlanzeige. (sic!!!)
Wien am 22. August 1966, Alfred Müller
Auszug der Anmerkungen durch Sohn Marino, tlw. mündliche Überlieferung:
"Das deutsche Bataillon besaß einen großen Vorrat an Handgranaten, die man nicht mitnehmen wollte und den Nachfolgern überließ. Nur waren die daran nicht ausgebildet, und das österr. Kommando befahl, die Handgranaten als Gefahrgut in der Stripa zu versenken. - Mein Vater beschloss, diesen Befehl zu ignorieren und erbat sich stattdessen von den Deutschen einige Unteroffiziere als Ausbilder. Dabei wäre fast ein Unglück passiert. Die deutsche Handgranate brannte nach Ziehen der Reißleine ca. 6 Sekunden. Um zu verhindern, dass der Feind Gelegenheit hat, die bei ihm angekommene aber noch nicht explodierte Handgranate zurück zu werfen, wartet man drei Sekunden und wirft dann. Man zählt „einundzwanzig — zweiundzwanzig — dreiundzwanzig“. Bei den Reitern waren auch viele Ungarn. Einer davon fing an, beim Handgranatenwerfen ungarisch zu zählen. Als ihm bewusst wurde, dass er von lauter deutschsprachigen Vorgesetzten umgeben war, rief er: Herstellen!, Einundzwanzig…. Inzwischen waren alle in Deckung gegangen. Gott sei Dank brachte der Soldat seine Handgranate noch los, bevor sie ihm in der Hand explodierte. Später griffen die Russen über die Stripa an, der Angriff konnte aber abgewehrt werden. Als mein Vater gefragt wurde, wie sie es denn fertiggebracht hätten, den russischen Angriff abzuschlagen, erwiderte er nur: Mit den in die Stripa versenkten Handgranaten…"
"Mein Vater verstarb an einem Herzinfarkt mit Lungenentzündung in Wien am 11. Oktober 1968 im Kaiserin-Elisabeth Spital in Wien 15, Huglgasse 1-3. Seine Asche wurde in die Schweiz überführt und ruht, zusammen mit der Asche meiner Mutter, in einem Urnengrab im Friedhof Egg ZH. Den Grabstein ziert der Wahlspruch der Theresianischen Militärakademie :TREU BIS IN DEN TOD. Mein Vater hat danach gelebt."
Oblt. i. d. Res Georg MÜLLER, Bruder des Obigen, war als Einj.-Freiw.-Korpl. in der 2. Eskadron ins Feld gezogen und im Dezember erkrankt. 1915 im MG-Dienst ausgebildet, übernahm er als Leutnant nach der Verwundung des Rittm. PIELSTICKER im November das Kommando der MG-Abteilung DR 5, die zur Zeit dem UR 5 am Styr angegliedert war und dann im Februar 1916 zur Ersatzeskadron zurückgezogen wurde. Im Juli d. J. kam MÜLLER wieder ins Feld, und zwar zur MG-Abteilung des DR 7, später zu der des UR 11 im Verband der 8. KD, zuerst in der Bukowina, dann an der rumänischen und schließlich an der italienischen Front. Während seiner 36-monatigen Frontdienstleistung war er mit der Bronzenen und der Silbernen Militärverdienstmedaille ausgezeichnet worden.